Hate Speech und digitale Anfeindungen
Was machen digitale Anfeindungen und Hassbotschaften mit uns und was können wir dagegen tun?
„Hate Speech“ / „Hassrede“ ist kein juristischer Fachbegriff. Betroffenen und den meisten Menschen ist allerdings ganz klar: Wer hassererfüllte, beleidigende, verletzende, aggressive Botschaften bekommt oder verleumdet wird, braucht Hilfe.
Dabei kann der digitale und analoge Hass viele Formen annehmen: Ob es sich nun um Mobbing, Trollangriffe, Shitstorms, Lügen oder andere Hass-Angriffe handelt. Auf dieser Seite sind wichtige Informationen zusammengetragen, die du nutzen kannst, um dir und anderen Personen zu helfen. Wir haben Expert*innen gefragt, was man gegen Hass im digitalen Raum unternehmen kann und an wen man sich für Hilfsangebote und Beratungen wenden kann.
Clara Taruba von HateAid spricht in diesem Videointerview über Hass und Gewalt im Internet. Sie klärt über Formen digitaler Gewalt auf und geht auf Hilfsangebote von HateAid ein.
Clara Taruba von HateAid spricht in diesem Videointerview über Hass und Gewalt im Internet. Sie klärt über Formen digitaler Gewalt auf und geht auf Hilfsangebote von HateAid ein.
Clara Taruba
Clara Taruba ist Sozialarbeiterin bei der gemeinnützigen GmbH HateAid und ist dort in der Betroffenenberatung tätig. Gemeinsam mit ihren Kolleg*innen unterstützt und berät sie die Opfer von digitaler Gewalt.
HateAid wurde 2018 von den Nichtregierungsorganisationen Campact und Fearless Democracy gegründet und befindet sich in Berlin. Die Organisation klärt über gesamtgesellschaftliche Gefahren für Demokratie und Meinungsfreiheit auf.
Viele Kolleg*innen dieser Organisation hatten in der Vergangenheit schlechte Erfahrungen mit digitaler Gewalt. Aus diesem Grund bieten sie Menschen, die in derselbe Situation sind, eine emotional-stabilisierende Erstberatung sowie gegebenenfalls eine Prozesskostenfinanzierung an. Ihr Ziel ist es für Gerechtigkeit zu sorgen und die Täter*innen zur Verantwortung zu ziehen. Sie informieren die Öffentlichkeit und Politik über Gewalt im Netz und ermutigen die Menschen, sich gegen Hass einzusetzen.
Das haben wir Clara Taruba gefragt
Welche Arten digitaler Gewalt gibt es?
Clara Taruba:
Tatsächlich umfasst digitale Gewalt ein sehr breites Spektrum. Zum einen kann das die klassische Beleidigung sein, die eine andere Person herabsetzen soll. Belästigungen, Bedrohungen, Verleumdungen und üble Nachrede sind gesteigerte Formen digitaler Gewalt. Hierbei werden Unwahrheiten über eine Person verbreitet, um den Ruf der Betroffenen zu schädigen. Weiterhin gibt es digitale Gewalt in Form von Erpressung bis hin zur klassischen Hassrede, die immer auch einen diskriminierenden Hintergrund hat. Cyber-Stalking, das heißt ein unerwünschtes wiederholendes Kontaktaufnehmen über Online-Angebote, ist ein präsentes Thema. Und auch Doxxing ist eine Form der Gewalt im Internet. Beim Doxxing werden zum Beispiel private Daten einer Person im Internet veröffentlicht, mit dem Ziel eine Person unter Druck zu setzen und sie zu schädigen.
Welche Möglichkeiten gibt es auf digitale Gewalt zu reagieren? Wie sollte ich als betroffene Person reagieren und was kann ich als Außenstehende/r unternehmen?
Clara Taruba:
Wenn eine Person selbst von digitaler Gewalt betroffen ist, raten wir dazu erstmal Abstand zu gewinnen: Man sollte durchatmen und sich nicht zu einer akuten Gegenreaktion hinreißen lassen. Zunächst sollte man sich selbst reflektieren und fragen: Was macht das mit mir? Wie fühle ich mich? Habe ich den Drang dagegen etwas zu unternehmen? Würde es mir helfen mit einer anderen Person darüber zu sprechen? Sollte ich eine Social-Media-Pause einlegen? Die Entscheidung muss jede Person selbst treffen.
Wenn ich merke, das macht etwas mit mir und ich möchte das nicht auf mir sitzen lassen, dann wäre ein erster Schritt, das Geschehen auf der jeweiligen Plattform zu melden. Auf den großen Plattformen gibt es hierfür verschiedene Möglichkeiten. Es ist immer gut in Fällen digitaler Gewalt Beweise zu sammeln. Man sollte von dem Kommentar oder der Nachricht Screenshots anzufertigen, wenn man sich überlegt zu einem späteren Zeitpunkt Anzeige zu erstatten. Es gibt immer die Möglichkeit kostenlos Strafanzeige bei der Polizei zu machen. In einigen Bundesländern können Strafanzeigen teilweise schon online gestellt werden.
Im nächsten Schritt kann man sich auch Hilfe von einer außenstehenden Person holen. Das ist besonders dann hilfreich, wenn die Situation einen selbst sehr belastet, man Schwierigkeiten bei der Verarbeitung hat und nicht weiß, wie man sich im Internet zukünftig verhalten soll. Es ist immer gut sich externe Hilfe zu suchen zum Beispiel bei einer spezialisierten Beratungsstelle wie HateAid.
Wenn du als außenstehende Person siehst, dass jemand anderes von digitaler Gewalt im Internet betroffen ist, hast du immer die Möglichkeit der Person zur Seite zu stehen. Das geht durch eine private Nachricht an die betroffene Person oder durch Gegenrede. Wenn Beleidigungen oder Anfeindungen in öffentlichen Kommentarspalten gepostet werden, kannst du einen aufmunternden oder verteidigenden Kommentar schreiben. Das signalisiert der anderen Person, dass sie nicht allein ist und man kann dadurch Zivilcourage zeigen. Durch sachliche Argumente kann man dem Täter oder der Täterin oftmals den Wind aus den Segeln nehmen.
Ist eine Person im eigenen Freundeskreis von digitaler Gewalt betroffen, dann biete ihr deine Hilfe an, spreche mit ihr und berichte von spezialisierten Beratungsstellen, an die sie sich wenden kann.
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Welche Arten von Hilfe bietet HateAid selbst an?
Clara Taruba:
Das Beratungsangebot bei Hate Aid ist sehr breit aufgestellt. Zum einen bieten wir emotional-stabilisierende Beratungen an. Das ist ein Erstgespräch, bei welchem Betroffene über das Erlebte sprechen können. Hier überlegen wir gemeinsam nächste Handlungsschritte und klären, was die betroffene Person in der Situation genau benötigt. Das ist in vielen Fällen auch eine Sicherheitsberatung zur digitalen Sicherheit. Wir schauen hier gemeinsam auf die persönlichen Daten der Person und prüfen, ob es Sicherheitslücken und akuten Handlungsbedarf gibt, wie zum Beispiel das Einrichten einer Melderegistersperre, wodurch die private Adresse nochmal im analogen Leben geschützt werden kann. Das sind alles Schritte, die wir gemeinsam durchgehen bis hin zu ganz konkreten Handlungen, dass wir gemeinsam Löschanträge stellen und Inhalte gemeinsam bei Plattformen melden. Auch bieten wir Unterstützung und Hilfe bei der Anzeigenstellung. Ein weiterer Schritt kann auch sein, dass wir eine gemeinsame Kommunikationsstrategie erarbeiten. Wir überlegen individuell, wie man sich weiterhin im Internet bewegt und verhält. Ist es bei einem akuten Shitstorm gut, sich erstmal zurückzuziehen und durchzuatmen? Möchte ich online lieber ein Statement abgeben? Möchte ich meine Online-Community dazu aufrufen mich zu unterstützen? Das kann alles zu der Kommunikationsstrategie dazugehören.
Letztendlich bieten wir in geeigneten Fällen Prozesskostenfinanzierung für Zivil-Prozesse an. Wenn eine Person sich entschließt zivilrechtlich gegen einen Inhalt oder einen Täter oder eine Täterin vorzugehen, dann übernehmen wir die Kosten für die Anwaltskanzlei, die in diesem Fall tätig werden muss.
Was machen Schicksale betroffener Personen mit euch und eurer Arbeit?*
Clara Taruba:
Solche Fälle gehen an uns Berater*innen nicht spurlos vorbei. Wir waren auch in diesem Fall sehr schockiert darüber und auch sehr betroffen, dass eine Person, die Opfer digitaler Gewalt geworden ist, diesen Weg gewählt hat und keinen Ausweg für sich gesehen hat. Es hat uns sehr getroffen, wie die Person von vielen Seiten allein gelassen wurde.
Der Vorfall hat uns auch wieder gezeigt, wie wichtig unsere Arbeit ist und hat uns darin bestärkt weiterzumachen. Wir müssen noch viel mehr in die Öffentlichkeit gehen und darauf aufmerksam machen, was die Auswirkungen und Folgen von digitaler Gewalt sein können.
Auch der Fall Kasia Lenhardt aus dem Jahr 2021 ging genauso aus und hat uns sehr getroffen. Es zeigt uns, wie notwendig unsere Arbeit ist und dass Politik und auch die Strafverfolgungsbehörden mehr in die Pflicht genommen werden müssen.
* Als jüngstes Beispiel sei der Fall der österreichischen Ärztin Kellermayr zu nennen, die sich aufgrund von digitalen und realen Hassattacken das Leben nahm.
Was kann eine Person unternehmen, die ein Opfer von Doxing geworden ist?
Clara Taruba:
Wenn man Opfer von Doxxing geworden ist, muss man leider sagen, dass das Kind bereits in den Brunnen gefallen ist. Wenn einmal persönliche Daten veröffentlicht worden sind, muss man sich schon klar machen, dass die Entfernung nicht so einfach ist.
Es gibt aber Maßnahmen, die unbedingt zeitnah getroffen werden sollten, um den Schaden einzugrenzen. Man sollte sich schnell darum bemühen die veröffentlichten Daten aus dem Netz zu löschen. Das kann bei einer großen Plattform passieren. Auch dort ist das Veröffentlichen von privaten Daten verboten und kann schnellstmöglich gemeldet werden. Die Plattform muss in diesen Fällen zeitnah reagieren. Ein nächster Schritt kann sein, das Doxxing bei der Polizei zur Anzeige zu bringen.
Man sollte sich selbst „googlen“ und prüfen, wo die eigenen Daten gelandet sind und wo diese bereits verbreitet worden sind. Sollte es eine akute Gefahrensituation geben, wie beispielsweise eine Gewaltankündigung im Internet, sollte man auf jeden Fall zur Polizei gehen und dies melden.
Unter Umständen sollte man sich an der veröffentlichten Adresse einige Tage nicht aufhalten, um angekündigten Angriffen aus dem Weg zu gehen. Die eigene Adresse für zukünftige Fälle analog zu schützen, und zwar in Form einer Melderegistersperre, kann auch zweckmäßig sein. Die kann jede Person beim Einwohnermeldeamt stellen, wenn bestimmte Bedrohungsszenarien eingetreten sind.
Das könnten erste Schritte sein, wenn man Opfer von Doxxing wurde. Auch sollte man sich an eine spezialisierten Beratungsstelle Hilfe wenden, um die Situation zu sortieren und zu reflektieren.
Die Reaktionszeiten der Plattformen sind tatsächlich unterschiedlich. Es kommt auf die gemeldeten Inhalte an. Wenn es Inhalte sind, die gegen die Netz DG verstoßen, dann müssen die Plattformen schneller reagieren. Wenn es sich nur um Verstöße gegen die Community-Richtlinien handelt, dann sind die Reaktionszeiten mitunter sehr lang beziehungsweise sehr unterschiedlich. Auf den Seiten der Plattformen kann man nachlesen, was sich diese auf die eigene Karte geschrieben haben und gegen welche Inhalte wie vorgegangen wird.
Hast du einen Lieblingsfluch?
Clara Taruba:
Mir wurde auf jeden Fall gesagt, dass ich sehr ungewöhnlich fluche und eher altmodische Redewendungen nutze. Wenn ich mich zum Beispiel über irgendetwas aufrege, sage ich: „Ich glaube mein Hamster bohnert!“ So etwas benutze ich sehr gerne. Ich versuche nicht politisch inkorrekt zu fluchen. Solche Ausdrücke, die früher gängig waren, versuche ich nicht mehr zu verwenden. Da ich bald ein Kind erwarte, werde ich über das, was ich sage, nochmal einen Filter legen und genau aufpassen, was ich sage und was nicht.
HateAid bietet Betroffenen digitaler Gewalt ein kostenloses Beratungsangebot und Prozesskostenfinanzierung.
Menschen, die online Hass und Hetze erleben, die beleidigt, verleumdet oder bedroht werden, können sich an HateAid wenden. HateAid helfen allen, die selbst keinen Hass verbreiten – unabhängig von Nationalität, Hautfarbe, Religion, Alter, Geschlecht, sexueller Orientierung, politischer Meinung und körperlicher Versehrtheit.
Du bist von digitaler Gewalt betroffen?
Wir sind für dich da!
Schreibe eine E-Mail an: beratung@hateaid.org
Rufe in den Sprechzeiten an: 030 / 252 088 38
Mo 10 – 13 Uhr | Di 15 – 18 Uhr | Do 16 – 19 Uhr
Melde Hass über unser Formular:
hateaid.org/meldeformular/
Hassbotschaften und Hasskriminalität im Internet
Wie kann man sich gegen digitale Hassbotschaften und Anfeindungen juristisch wehren?
Durch die Digitalisierung und zunehmende Vernetzung unseres Alltags mit dem Internet und zahlreichen digitalen Plattformen nehmen nicht nur die Chancen und positiven Effekte zu. Auch die negativen Aspekte der zunehmenden Kommunikation im digitalen Raum haben in den letzten Jahren erheblich zugenommen: Hassbotschaften, Verleumdungen, Erpressungen sind nur wenige Beispiele aus dem Pool der digitalen Hasskriminalität. Zwar wurden die gesetzlichen Bestimmungen und Vorgaben an die Veränderungen im Internet und dessen Nutzung angepasst, leider nicht im gleichen Tempo wie die technischen Neuerungen durch Nutzer*innen Anwendung finden.
Wir haben den Rechtsanwalt Chan-jo Jun gefragt, welche gesetzlichen und juristischen Möglichkeiten Betroffene haben, um gegen Hasskriminalität im Internet vorzugehen und wie sich seine Arbeit in den letzten Jahren verändert hat.
Chan-jo Jun
Chan-jo Jun (*1974) betreibt eine Rechtsanwaltskanzlei für IT-Recht mit 17 Anwälten in Würzburg. Bekannt wurde er durch sein juristisches Engagement gegen Hasskriminalität auf Facebook, mit dem er Ermittlungsverfahren gegen Mark Zuckerberg und andere Facebook-Manager ins Rollen und Facebook vor Gericht brachte.
Mit seinem Team arbeitet Jun am Einsatz von künstlicher Intelligenz zur Lösung rechtlicher Aufgaben in Rechtsabteilungen. Eine besondere Spezialität liegt im Bereich des Software-Lizenzrechts, insbesondere bei Open Source Software. Zu seinen Mandanten gehören sowohl mittelständische Softwareunternehmen, als auch Automobilhersteller; ein Teil der Arbeitszeit im Team ist jedoch für unbezahltes gesellschaftliches Engagement reserviert. Zudem wurde er mit dem „For..Net Media Award 2022“ ausgezeichnet.
Mit Ihrer Kanzlei „Jun Rechtsanwälte“ vertreten Sie Mandant*innen gegen Konzerne wie Facebook. Wie kam es dazu?
Als 2015 viele Flüchtlinge nach Deutschland kamen, bahnte sich der Hass in Form von Gewaltaufrufen und Gewaltdarstellungen seinen Weg auf Facebook. Obwohl viele der Inhalte klar rechtswidrig und strafbar waren, weigerte sich Facebook damals beharrlich, deutsches Recht anzuwenden. Ich wollte nur kurz demonstrieren, dass eine Strafbarkeit von Facebook-Managern eintreten würde, wenn sie trotz nachweislicher Kenntnis strafbare Inhalte weiterverbreiten. Das führte dazu, dass Münchner Staatsanwälte Ermittlungen gegen Mark Zuckerberg aufnahmen und die internationale Presse darüber berichtete. Ich hätte es bei dem Impuls bewenden lassen können, fand es jedoch geboten, wenigstens so lange an dem Problem dranzubleiben, bis sich einige Lösungen abzeichnen. Wie man sieht, bin ich noch immer dran.
Wie hat sich Ihre Arbeit durch das zunehmende Aufkommen von Hassbotschaften und die Verbreitung von Falschmeldungen in den letzten Jahren verändert?
Obwohl der Gesetzgeber an vielen wichtigen Stellen reagiert hat, ergeben sich immer neue Herausforderungen. Die Methoden, um möglichst viele Menschen zu breit angelegtem Hass und vereinzelten Gewaltaktionen zu motivieren sind perfider geworden. Es reicht nicht mehr aus, stumpf zu behaupten, eine Gruppe der Bevölkerung solle abgeschlachtet werden, sondern Täter installieren den Mythos, dass Notwehr nötig wäre, da der Staat bei der Verteidigung gegen Invasion oder Pharma-Kartelle versage. Angriffe sind zielgerichteter geworden und richten sich nicht nur gegen Spitzenpolitiker, sondern Experten, Aktivisten oder beliebte User. Dabei bin ich in letzter Zeit immer öfter selbst in den Fokus von Angriffen geraten.
Sie vertraten Frau Renate Künast (ehemalige Bundesministerin) vor Gericht in einer Klage gegen Facebook. Wie kam es zu diesem Mandat und was waren die Anklagepunkte gegen das soziale Netzwerk?
Frau Künast war schon immer häufiges Opfer von Verleumdungen. Besonders wirksam waren dabei empörende, aber untergeschobene falsche Zitate. Facebook weigert sich bis heute, falsche Tatsachenbehauptungen, die als üble Nachrede strafbar sind, zu entfernen, da die eigenen Gemeinschaftsstandards kein solches Verbot von Falschbehauptungen vorsehen. Für jeden einzelnen Kommentar war dabei oft ein gerichtliches Verfahren nötig, wobei allein das Aufspüren der Inhalte mehrere Vollzeitkräfte beschäftigte.
Wir haben daher von Facebook verlangt, dass diese Inhalte nach einer Meldung auf dem gesamten Portal entfernt werden müssen. Außerdem haben wir von Facebook für die unterlassene Löschung 10.000,00 € Schmerzensgeld verlangt. Beide Punkte wurden uns in erster Instanz in vollem Umfang zugesprochen.
Welche konkreten Absichten und Ziele verfolgen Sie gemeinsam mit Ihren Klienten wie z.B. Frau Künast und konnten diese erreicht werden?
Wir möchten die Spielregeln für alle Nutzer verändern. Wir wollen Facebook dazu bringen, deutsches Recht für sämtliche Nutzer anzuwenden, damit die Plattformen des Konzerns eine Bereicherung und nicht eine Bedrohung für unsere Gesellschaft werden. Das Landgericht folgte unserer Argumentation, aber Facebook hat weder die Ansprüche erfüllt, noch will es sich darauf einlassen. Der Streit wird durch die weiteren Instanzen gehen.
Welche juristischen und gesetzlichen Folgen haben Hassbotschaften und Hasskriminalität im Internet?
Hass ist für sich genommen zunächst nur ein Gefühl, mitunter auch ein Motiv, aber für sich genommen noch nicht strafbar. Aus dem Hass ergeben sich jedoch viele gefährliche Straftaten, die jedoch im Internet in den meisten Fällen weder beendet noch geahndet werden. Natürlich können wir behaupten: „Das Internet ist kein rechtsfreier Raum“ und Straftaten führen auch zur Strafbarkeit. Die Wirklichkeit ist jedoch, dass diese Taten nicht aufgeklärt werden, da die Plattformbetreiber hieran nicht im nötigen Umfang mitwirken und Ermittlungsstellen nicht den nötigen Aufwand zur Aufklärung betreiben.
Wie kann ich als Privatperson gegen Hasskriminalität im Internet und den sozialen Medien vorgehen?
Wer nur irgendeine Aktion durchführen möchte, um reagiert zu haben, geht zur Polizei und erstattet Anzeige, darf jedoch nicht erwarten, dass es dann zu einer Verurteilung kommt. Wer sich effektiv zur Wehr setzen will, braucht in der Regel die Hilfe einer Organisation oder qualifizierten Beratern.
Wie gehen Sie selbst mit Hate Speech und digitalen Anfeindungen um?
Mir stehen auch nur die gleichen unwirksamen Instrumente zur Verfügung. Strafanzeigen verlaufen meistens ohne Ergebnis und Plattformbetreiber ignorieren die meisten Meldungen.
Da sich unsere Ausstellung mit Flüchen und Schimpfworten befasst, fluchen oder schimpfen Sie auch, wenn Sie sich ärgern?
Wenn sich die abwertende Intention bereits aus der Formulierung ergibt, bewegen wir uns meistens im Bereich der so genannten Formalbeleidigung, die bereits die Überschreitung der Meinungsfreiheit darstellt. Als Anwalt gebe ich mir viel Mühe, das zu vermeiden. An die Stelle treten rhetorische Techniken der Überraschung wie z. B. die Reaktion „ich liebe dein Argument“.
Hate Speech und die Öffentlichkeit
Wie wirken sich öffentliche Anfeindungen und Beleidigungen auf Betroffene aus?
Personen, die in der Öffentlichkeit stehen und agieren, bieten vielen Menschen Angriffsfläche für Beleidigungen und Hass. Was machen Anfeindungen und Beleidigungen mit Betroffenen und wie gehen sie damit um?
Wir haben Dr.in Reyhan Şahin aka Lady Bitch Ray nach ihren Erfahrungen mit Hate Speech und öffentlichen Hassbekundungen gefragt.
Dr.in Reyhan Şahin aka Lady Bitch Ray spricht über ihre Erfahrungen mit Hate Speech als Künstlerin im deutschen Hip-Hop.